Samstag, 18. September 2010

"Berlin ist Komplize"

Artikel in der JUNGEN WELT vom 16.09.2010, Seite 1

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele wirft der Bundeswehr die Beteiligung an gezielten Tötungsaktionen in Afghanistan vor. Dies gehe aus der Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor, erklärte Ströbele in einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung. So habe das deutsche Kommando einer US-Spezialeinheit namentlich Zielpersonen genannt, die daraufhin von US-Spezialkräften unter »Einsatz tödlich wirkender Gewalt« gejagt worden seien. Mindestens zwei der 15 von Deutschen bisher Genannten seien danach durch US-amerikanische und afghanische Militärs getötet worden.

»Damit beteiligt sich die Bundeswehr an den Targeting-Operationen der US-Streitkräfte und wissentlich an deren gezielter Tötung«, erklärte der Grünen-Abgeordnete. »Ich halte diese Praxis für einen Verstoß gegen Grundgesetz, Völkerrecht und die Menschenrechtskonvention.«


Weiter räumt die Bundesregierung in der Antwort an Ströbele ein, daß die deutsche Spezialeinheit »TF 47« seit dem Jahr 2007 an Operationen beteiligt war, bei denen mehr als 50 »Zielpersonen« festgenommen worden seien. Dabei seien bei wiederholten taktischen Überflügen zur Abschreckung auch zweimal Bomben (»Wirkmittel gegen Ziele am Boden«) abgeworfen worden, schreibt der Staatssekretär des Bundesverteidigungsministeriums, Thomas Kossendey (CDU).


Kossendey führt weiter aus, an der Informationsgewinnung, Planung und Durchführung von Operationen anderer nationaler Truppenkontingente, etwa der USA, sei »die Bundesregierung nicht unmittelbar beteiligt«, sofern diese nicht unter der Verantwortung des Kommandos der NATO-Truppe ISAF (»International Security Assistance Force«) stünden. Es sei deshalb nicht auszuschließen, daß Erkenntnisse der Bundeswehr »bei Operationen gegen Zielpersonen in Afghanistan, die nicht unter der ISAF-Kommandostruktur durchgeführt werden, herangezogen werden«. Über deren Einsätze erfahre die Bundeswehr keine Details. Die Bundesregierung habe »für Gesamt-Afghanistan keine gesicherte Kenntnis über die Getöteten und Verletzten auf seiten der regierungsfeindlichen Kräfte sowie über Opfer unter der Zibvilbevölkerung in Folge der operativen Tätigkeiten von Einheiten außerhalb der ISAF-Kommandostruktur«.


Die Regierung betont, daß die »planerisch« aus »120 Soldatinnen und Soldaten« bestehende deutsche Spezialeinheit »TF 47« über keine Befugnisse verfüge, »die über die Befugnisse anderer Kräfte des deutschen Einsatzkontingentes hinausgehen«. Schwerpunktmäßig sei sie in den Provinzen Badakshan, Baghlan und Kundus »in dem vom Deutschen Bundestag mandatierten Einsatzgebiet« aktiv. Neben der »Task Force 47« habe die Bundeswehr »keine weiteren Spezialkräfte in Afghanistan eingesetzt«.


Rechtliche Bedenken hinsichtlich der deutschen Beteiligung am sogenannten Targeting, dem Erstellen von Listen von »Zielpersonen«, hat die Bundesregierung ausdrücklich nicht. »Aus rechtlicher Sicht ist dabei festzustellen, daß auf der Grundlage des humanitären Völkerrechts in einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt die Regierungstruppen und die sie unterstützenden Truppen feindliche Kämpfer auch außerhalb der Teilnahme an konkreten Feindseligkeiten gezielt bekämpfen dürfen«, heißt es unmißverständlich in dem Schreiben.

Wir fordern: Bundeswehr endlich raus aus Afghanistan!
 

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